# unsere Arbeit mit entkoppelten Jugendlichen
Mustafa bereitet sich auf seine Prüfungen zum Realschulabschluss vor – wer hätte das für möglich gehalten?
2015 kam Mustafa, wie viele andere minderjährige und unbegleitete Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland. Die Integration in ein anderes System, andere Werte und Erwartungen gestaltete sich nicht problemlos. Das Erlangen des Hauptschulabschlusses war immer sein Ziel, dennoch waren sein regulärer Schulbesuch von Schwierigkeiten und daraus resultierenden Schulwechseln geprägt. 2019 musste er dann auf Grund seines Verhaltens seine letzte reguläre Schule verlassen und verlor damit die Chance auf einen „normalen“ Abschluss.
Damit ging es Mustafa wie der Mehrheit unserer entkoppelten Jugendlichen: auf Grund von wie auch immer gearteten Schwierigkeiten gelingt es diesen jungen Menschen nicht ihre Schule erfolgreich abzuschließen. Laut Bundestag haben „im Jahr 2017 bundesweit 6,9 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne einen Schulabschluss verlassen.“ (Bundestag 19/14054)
Diese Zahl beschreibt, zumindest zu einem gewissen Anteil, eine bereits aus der Schule abgekoppelte heterogene Gruppe von jungen Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen. Die Werte, die diese Gruppe vereint sind jenseits dem leistungsorientierten, angepassten und zielstrebigen Durchschnitt zu suchen. Stattdessen findet ein Leben im Moment statt – ohne Gedanken an die Zukunft, ohne Strategie und ohne Ziele.
Erst im Laufe der Zeit wird diesen jungen Menschen manchmal klar, dass ein Schulabschluss die Grundlage für eine Ausbildung und damit für ein selbstverantwortliches Lebens ist.
In unserer Gesellschaft sind verschiedene Anknüpfungspunkte etabliert, die diese jungen Menschen nach dem Abgang aus der regulären Schule auffangen könnten und sogar die Chance auf einen gleichgestellten Schulabschluss für Nichtschüler bieten. Die Probleme dabei sind allerdings, dass von den jungen Menschen das gleiche Maß an Selbstorganisation und Verlässlichkeit erwartet wird wie zuvor in der Schule. Zum anderen werden durch das dort vorhandene Klientel alte Gewohnheiten und Kontakte getriggert, somit beginnt häufig eine erneute Spirale von Maßnahmeabstinenz und Orientierungslosigkeit.
Was also tun?
Nachdem wir diese Problematik erkannt hatten, haben wir uns vor einigen Jahren dazu entschieden die Vorbereitung auf den Schulabschluss für Nichtschüler CoLab-intern anzubieten. Unsere Jungs sind dabei natürlich eingebunden in ihren „CoLab-Alltag“ – sie haben ein verlässliches Umfeld, all ihre Probleme und Anliegen werden ernst genommen und sie haben für sich Ziele gefunden, die sie im Leben erreichen wollen. Mit diesem erkannten Sinn gelingt auch das Lernen für den Schulabschluss.
Die jungen Menschen, die diesen Weg bei uns gehen, werden von uns intensiv auf alle anstehenden mündlichen und schriftlichen Prüfungen vorbereitet. Die Vorteile hierbei sind, dass der notwendige Unterricht in Kleinstgruppen stattfindet und wir eine Lernatmosphäre haben, die jenseits der üblichen Schulkultur liegt. Damit sind nicht nur die Trigger des Umfeldes, sondern auch des Schulabsentismuses nicht vorhanden.
Die schriftlichen und mündlichen Prüfungen werden dann in Kooperation mit einer staatlichen Schule abgenommen – hier gibt es wahnsinnig tolle LehrerInnen, die unser Klientel kennen und verstehen und diese umsichtig durch ihre Prüfungen bringen.
Diesen Weg ist Mustafa gemeinsam mit seinem Kumpel Rawan im vergangenen Jahr gegangen. Beide Jungs haben im Januar erfolgreich ihren Hauptschulabschluss abgelegt.
Da Mustafa mit dem Ergebnis seines qualifizierenden Hauptschulabschlusses zwar zufrieden, aber noch nicht vollends glücklich war, hat er sich vorgenommen seinen Realschulabschluss zu erreichen. Und so sitzt er heute hier und rechnet seine Matheaufgaben.